Historischer Grundriss der Riebeckstrasse 63 aus dem späten 19. Jahrhundert

Die Errichtung
der Städtischen
Arbeitsanstalt
in der
Riebeckstraße 1892

25 FEB 2021

Die Städtische Arbeitsanstalt in Leipzig wurde 1892 gebaut. Architekt war Max Bösenberg. Er vertrat den Historismus und baute um die Jahrhundertwende zahlreiche Villen, Wohnhäuser, Fabrikhallen und Verlagsgebäude in Leipzig. Er plante den Gebäudekomplex in schlichter Ausführung, ohne dass der Anschein von Luxus geweckt worden wäre. Das Gelände war eine Mischung aus Wohn- und Arbeitsräumen sowie der dazugehörigen Räumlichkeiten, die der Versorgung der Insass*innen dienten. Die Häuser an der Riebeckstraße waren mit „lederfarbenen Rohbau-Vollsteinen mittlerer Qualität“ gebaut.[1]

Das Verwaltungsgebäude

Das Hauptgebäude bzw. Verwaltungsgebäude war 36 Meter lang und 16 Meter tief. Über dem Hauptportal war das alte Wahrzeichen des früheren Georgenhauses am Brühl zu sehen, das den Ritter St. Georg im Kampf mit dem Drachen zeigte. Es wurde aus Sandstein angefertigt und befindet sich auch heute noch an dem vorderen Gebäude, das zur Riebeckstraße zeigt. Da die Aufnahme neuer Insass*innen hier stattfand, wurden diese als erstes mit der Heldenszene im Relief konfrontiert. In diesem Gebäude war über drei Geschosse hinweg die Verwaltung untergebracht. Im Erdgeschoss befanden sich die Arbeitszimmer des Anstaltsdirektors, des Wirtschaftsinspektors und des Oberaufsehers. Im ersten und zweiten Geschoss lagen die Wohnungen des leitenden Personals sowie der Aufseher und Anstaltsbeamten, die nach den damaligen Gepflogenheiten vor Ort untergebracht waren.

Das Wirtschaftsgebäude

Hinter dem Verwaltungsgebäude wurde das Wirtschaftsgebäude errichtet, das den Mittelpunkt der Anlage darstellte. Sein Erkennungszeichen war ein hoher Dampfschornstein, denn in dem Gebäude war die Anstaltsküche und die Waschküche mit den dazugehörigen Nebenräumen untergebracht. In der Mitte des Gebäudes befand sich ein großer Baderaum für die Insass*innen, Einzelbadezellen für Kranke und für die Beamten. Weiter hinten auf dem Gelände stand das Kesselhaus, daneben links eine Werkstelle und die „Heizerstube“. Rechts waren Desinfektionsräume und die Schwefelkammer für die zu reinigenden Kleiderstücke untergebracht. Im ersten Geschoss wohnten die Maschinisten, außerdem waren hier die Aufenthaltsräume für die Küchenmeisterin sowie das weibliche Küchenpersonal.

Historischer Grundriss der Riebeckstrasse 63 aus dem späten 19. Jahrhundert

Die Männerhäuser und das Frauenhaus

An beiden Seiten des Verwaltungsgebäudes standen je zwei Häuser von 42 Meter Länge und 14,5 Meter Tiefe. Äußerlich waren sie fast gleich. Die links hintereinander liegenden Häuser waren die Männerhäuser (A und B). Rechts vorne war die Abteilung für jugendliche Männer (Männerhaus C), dahinter das Frauenhaus. In den Männerhäusern schliefen die Insassen im ersten und zweiten Obergeschoss in zwei großen Schlafsälen. Darunter im ersten Geschoss hielten sie sich tagsüber auf: dort waren zwei große Arbeitssäle, außerdem Toiletten, Lagerräume und Räume der Aufseher. Im Erdgeschoss waren der Speisesaal, Waschräume sowie Arrestzellen und weitere Arbeits- und Lagerräume. Das Frauenhaus wurde ursprünglich viel kleiner projektiert, aber als sich gegen eine eigene Anstaltskirche entschieden wurde, hat man einen Betsaal hier eingebaut. Durch diese Erweiterung wurde das Frauenhaus genauso groß, wie die einzelnen Männerhäuser.

Links vom Verwaltungsgebäude befand sich das Pförtnerhaus, in dem eine „Pförtnerstube“ und eine Polizeiwache untergebracht war. Zwischen dem Pförtnerhaus und dem Verwaltungsgebäude hatte man von der Straße Zugang zur Anstalt. Zum Gelände gehörten ein Hof, ein Garten und der Arbeitsplatz für Tätigkeiten unter dem freien Himmel wie Holzspalten. Das ganze Ensemble war mit einer massiven Einfriedungsmauer von 3,20 Meter Höhe umgeben.

Die Funktionen der Häuser änderten sich im Laufe der Zeit. Es bleibt noch genauer zu erforschen, welches Gebäude zu welcher Zeit welchem Zweck diente.

Fruzsina Müller

Fußnoten

1. Vgl. wie zum Folgenden: Das neue Arbeitshaus zu St. Georg in Leipzig-Thonberg, in: Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure, Leipzig und seine Bauten Leipzig 1892, S. 285-289; Arbeitshaus zu St. Georg in Leipzig, in: Deutsche Bauzeitung Nr. 99, 1892, S. 607.